Warum Frieden mehr braucht als Raketen und Parolen
Die bisherigen Überlegungen beruhen auf Erfahrungen aus der Arbeit mit Gruppen in Konfliktsituationen. Dabei hat sich für mich immer wieder gezeigt: Seelische und geistige Kräfte spielen eine zentrale Rolle beim Entstehen und Überwinden von Unfrieden. Doch in der öffentlichen Debatte dominieren oft militärische Schlagworte – von Raketenstationierungen bis zu Anti-Raketen-Demonstrationen.
Bin ich hier vielleicht voreingenommen? Weil psychologische Ansätze in meinem Arbeitsfeld hilfreich waren, könnte ich ihre Bedeutung überschätzen. Deshalb lohnt es sich, auch Stimmen aus anderen Disziplinen zu hören – etwa aus Naturwissenschaft, Friedensforschung und Theologie.
Albert Einstein sagte bereits:
„Eine psychologische Umstellung auf Vertrauens- und Verständigungsbereitschaft ist die erste Voraussetzung zu einer friedenssichernden Politik.“
Diese Aussage ist heute aktueller denn je. Die Friedensforschung 2025 betont, dass Vertrauen und Dialog zentrale Bausteine für Sicherheit sind – nicht nur Waffen und Abschreckung.
Carl Friedrich von Weizsäcker beschrieb das Wettrüsten als ein paradoxes Spiel:
„Wenn zwei Gegner einander misstrauen, fühlt sich jeder erst dann sicher, wenn er stärker ist als der andere. Doch diese Bedingung ist unerfüllbar – und so jagen beide einem Köder nach, den sie nie erreichen.“
Diese Dynamik ist auch heute sichtbar – etwa in den Beziehungen zwischen NATO und Russland oder in den Spannungen im Indopazifik. Die Friedensgutachten der letzten Jahre warnen vor einem „Sicherheitsdilemma“, das durch gegenseitiges Misstrauen und Aufrüstung immer weiter eskaliert.
Alfred Mechtersheimer, Gründer des Starnberger Instituts für Friedenspolitik, formulierte zugespitzt:
- Die Gefahr eines Atomkriegs wächst.
- Viele Politiker verdrängen diese Gefahr oder reagieren mit Nachrüstung.
- Die etablierte Wissenschaft bleibt oft im gleichen Denkmuster gefangen.
Diese Kritik ist bedenkenswert – auch wenn sie differenziert betrachtet werden muss. Es gibt durchaus Wissenschaftler:innen, die neue Wege aufzeigen: Initiativen wie „Scientists for Global Responsibility“, „IPPNW – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs“ oder „Educators for Peace“ setzen sich aktiv für friedenspolitische Alternativen ein.
Auch die Theologie bietet wertvolle Impulse. Die deutsche Bischofskonferenz formulierte bereits 1983:
„Gerechtigkeit schafft Frieden.“
Heute greifen kirchliche und spirituelle Bewegungen diesen Gedanken wieder auf – etwa in der ökumenischen Friedensdekade oder in interreligiösen Dialogprojekten.
Was folgt daraus?
Friedenspolitik muss mehrdimensional denken. Persönliche, gesellschaftliche und politische Faktoren sind miteinander vernetzt – wie in einem offenen System. Die Systemtheorie spricht hier von „komplexen Wechselwirkungen“, die nicht linear, sondern dynamisch verlaufen.
Das bedeutet:
- 🧠 Psychologische Faktoren wie Angst, Misstrauen und Schuldverdrängung müssen ernst genommen werden.
- 🔬 Naturwissenschaftliche Erkenntnisse können helfen, Risiken realistisch einzuschätzen – aber sie brauchen ethische Orientierung.
- ✝️ Theologische Perspektiven erinnern daran, dass Frieden nicht nur ein politisches Ziel, sondern auch ein menschliches und spirituelles Anliegen ist.
Wenn wir diese Ebenen zusammen denken, entsteht ein neues Verständnis von Sicherheit – eines, das nicht auf Dominanz, sondern auf Beziehung, Vertrauen und Kreativität basiert.


